Die Erde ist keine Scheibe und Pluto kein Planet. Mit der Degradierung des Letzteren anno 2006 geriet auch der blinde Glaube an die Wissenschaft ins Schwanken. Ein wahrhaft kosmischer Aufhänger für die transmediale 13 BWPWAP – Back When Pluto Was a Planet dient dem Festival (für Kunst und digitale Kultur) als Ausgangspunkt für die Frage nach Veränderungen und Erfindungen, die sich durch technologische Entwicklungen und neue Wissensparadigmen ergeben. Die Herabstufung Plutos wird dabei als Metapher für Verlagerungen in der Gegenwartskultur genutzt. Das Programm der transmediale ist gewohnt anspruchsvoll. Ich versuche euch den Einstieg über die offiziellen Themenstränge Desire, Networks, Desire, Paper zu erleichtern, exemplarisch begleitet durch je ein ausgewähltes Projekt. Dazu gibt es meine Highlights des reSource 003:P2P Vorspiel und am Ende winken auch noch 2 Tageskarten.
User
Ist der User tot? Die transmediale sagt Nein und glaubt weiterhin an diesen bedeutendsten Akteur der Kulturlandschaft des 21. Jahrhunderts. Dieser User macht sich Materialien zu Eigen. Er verbrennt, verkokelt und collagiert. Bienenwachs, Gasbrenner, Solar-Synthesizer und Tageslichtprojektoren sind seine Werkzeuge. Sein Werk ein audiovisuelles Spektakel. (Double Bill Performance von We Make Sound With Fire / ray vibration und Fluorescene / Philipp Stearns, 31.01. 19.00 h)
Networks
Der postdigitale Diskurs kreist um die Rückbesinnung auf unser physisches Dasein. Netzwerke werden wieder aus den virtuellen Sphären gehoben. Die transmediale lässt die Rohrpost, eine ursprüngliche Form der vernetzten Kommunikation, wieder aufleben. Eure Nachrichten werden Staubsauger-beschleunigt durch eine raumgreifende Konstruktion im Eingangsfoyer geschossen (OCTO P7C-1 von Telekommunisten, ab 29.01.). Und so überbrücken Netzwerke Raum und Zeit, sind Träger von Botschaften bildlicher, textlicher aber auch musikalischer Textur, ermöglichen durch Video- und Soundübertragungen sogar gemeinsame Performances räumlich getrennter Musiker. (Instrumentarium II von Soundkünstler Boris Hegenbart und „Avantarde-Kosmonaut“ Felix Kubin, dessen Album Orphée Mécanique von der German Academy for Performing Arts als “Work of the Year 2012″ ausgezeichnet wurde. Performance, 30. 01. , 21.00 h)
Desire
In der Zone zwischen digitalem und physischem Raum werden Zugehörigkeiten und Identitäten – alles im Plural – neu verhandelt. In Performances, Screenings und Konferenzen geht es um Geschlechterrollen und Machtverhältnisse, um den Körper und andere Waffen. Programmcodes sind wie Pornografie. Sie folgen einer linearen Logik, sind aber inhaltslos. Bereits bekannte Dinge häufen sich an. Der Fokus liegt immer auf den gleichen expliziten Fakten. Wiederholung und Langeweile geben den Ton an. (Stewart Home & Florian Cramer, 2005. Spam, Porn and Bodily Computation. Konferenz. 01.02., 11.00 h)
Paper
Gutenberg’s Zeit ist abgelaufen – aber auch die seines Mediums? Digitale Möglichkeiten verändern Autorenprofile, Prozesse und Kanäle. Schreiben wird zum kollektiven Akt. Das Ergebnis ist oft ein thematischer Spagat zwischen dem Digitalen und Analogen. Im heutigen Moment schafft es auch der legendäre Sci-Fi Comic The Incal in den Medienkunstdiskurs. Durch seine audiovisuelle Aufbereitung werden wir heute, 40 Jahre später, in das einst futuristische Jodoverse geführt. (In the Jodoverse and Beyond. Live-Interview mit Alejandro Jodorowsky. Performance von Demdike Stare, Gatekeeper. (Video talk und Performance, 02.02., 20.30 h. Eine Kollaboration mit dem CTM Festival)
Ausstellung „The Miseducation of Anya Major“
1982 zeichnete Ridley Scott in Blade Runner eine Dystopie des Jahres 2019, die in der Form nicht unmöglich, aber doch eher unwahrscheinlich ist. 1984, als sich Huxley’s Zukunft gerade in Vergangenheit wandeltezeichnete Scott in einem Werbespot für den ersten Macintosh das Bild einer ferngesteuerten, leblosen Gesellschaft. Der Big Brother predigt zum Kollektiv. Da erscheint Anya Major, bahnt sich sprintend ihren Weg nach vorn, schwingt einen Vorschlaghammer, lässt los. Eine imposante Explosion, dann geht der Bildschirm und mit ihm der Big Brother in Flammen auf. Die Heldin des Spots gibt der transmediale-Ausstellung “The Miseducation of Anya Major“ ihren Namen. Die Ausstellung ist ein Appell gegen eine Homogenisierung unseres Wissen und seiner medialen Vermittlung. Welche Rolle kann Kunst in diesem kreativen Prozess spielen? Welche Tools stehen uns für diese Selbstaneignung zur Verfügung? “The Miseducation of Anya Major“ gliedert sich in drei Teile: „Tools of Distorted Creativity“, „Imagining With Machine Processes“ und „Evil Media Distribution Center“. Als besonderes Highlight der Ausstellung gilt Sonia Sheridans Arbeit. Die beinahe vergessene Künstlerin der Generative Art der 70-er Jahre, widmete sich der Frage, wie das in Technologie vorformatierte Verständnis von Kreativität bzw. Anwendungen als User künstlerisch erweitert werden können. Gezeigt wird ein Querschnitt durch ihr Schaffen in diversen Objekten, Drucken und Dokumenten. Gezeigt wird ein Querschnitt durch ihr Schaffen in diversen Objekten, Drucken und Dokumenten.
Für einen Planeten in die Kommentare könnte ihr 1×2 Tageskarten gewinnen.
transmediale.13 im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten Eröffnung: 29. Januar, 17.30, bis 03. Februar 2013
Mehr Informationen zu den Ticketoptionen
Das „reSource 003:P2P Vorspiel“ wärmt uns am kommenden Wochenende für die Festivals Club Transmediale (“The Golden Age”) und transmediale auf. Im Folgenden meine persönliche Favoriten aus dem umfangreichen stadtweiten Programm.
IN THAT WEIRD AGE (Ausstellung des CTM.13-Festivals) – KUNSTRAUM BETHANIEN
Die Fragen nach Originalität und Kreativität sowie die Rolle von Kunst und Sound im Alltag. Jedes Jahr auf’s Neue der Event des Abends. Mit Arbeiten von Constant Dullaart (NL), Curatingyoutube.net/ Sakrowksi (DE), Doppeldenk (DE), Nam June Paik (KR), Network Awesome (INT) uvm.
Kunstraum Kreuzberg / Bethanien, Mariannenplatz 2
Eröffnung 25.01., 19.00-24.00 h
26.-27.1 und 4. -24.02, täglich 12.00-19.00 h / 28. 01.– 03.02., täglich 12.00 – 22.00 h
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ILLUMINATIONS OF WEDDING - SUPERMARKT
Eine dreitägige Eventreihe aus Panel, Ausstellung und Performances. Thematisch dreht es sich um die Rolle von Kunst und Technologie auf unsere Stadtgesellschaft. Beteiligt sind unter anderem das lokale Graffiti Research Lab und AUTO64 mit einem Fassadenmapping.
Supermarkt, Brunnenstraße 64, Wedding
25.01., 18.00 – 23.00 h
Live performance um 21.00 h
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SYNAESTESIA /2: SPACE AND PERCEPTION – ART LABORATORY BERLIN
Kunst meets Neurowissenschaft. The Point of Perception fragt wie viel Informationen das menschliche Hirn benötigt um zu begreifen, was das Augen gerade einfängt.
Art Laboratory Berlin, Prinzenallee 34, Wedding
Eröffnung 25.01, 20.00 h, bis 10.03.
Fr – So 14.00 – 18.00 h sowie vom 30.01. -03.02 zur selben Zeit
FORCES BETWEEN PARTICLES - PLATOON KUNSTHALLE
Die interaktive Medieninstallation Forces between particles taucht die Container der Kunsthalle bis in die Nacht in abstrahierte Formen. Bei Digital Fragments, eine immersive mixed-media Installation, könnt ihr durch Gesten im realen eure Spuren im virtuellen Raum hinterlassen.
Platoon Kunsthalle, Schönhauser Allee, Mitte
Eröffnung 26.01., 18.00, bis 02.02. je 16.00-00.00h
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ABSTRAKTE WELTEN REALISIEREN - LEAP
Eine künstlerische Auseinandersetzung mit der physischen Wahrnehmung des Digitalen. Wie riechen und schmecken Daten? Wie können wir Daten fühlen?
LEAP Lab for Electronic Arts and Performance, Karl-Liebknecht-Straße 13, Mitte
Eröffnung 26.01., 20.00 h / täglich bis 03.02., 12.00-20:00
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