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ARTVERGNÜGEN #24 – Return of the Object bei Invaliden1, Joel Sternfeld in der c/o, Nina Pohl by Sprüth Magers

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Das letzte ARTVERGNÜGEN des Jahres. Und das Ende fast eines ganzen Jahres ARTVERGNÜGEN. Wow. Zur Feier aller Anlässe bescheren wir euch ein fotografisches Farbspektakel, Papageien und eine Reflektion zum Thema Geschenke, Fetisch und Besitz. Die Tour beginnt mit einer Ausstellung, die pünktlich wie die jingle bells letzte Woche eröffnete, geht weiter zu Joel Sternfeld in die c/o und last stop Nina Pohl. Ich freue mich auf das nächste Kunstjahr mit Ballons und euch.

The Return of the Object bei Invaliden1
Spekulativer Realismus propagiert die Rückbesinnung auf das Wirkliche, das Objekt. Die aktuell laufende Gruppenausstellung “The Return of the Object” widmet sich jener philosophischen Denkschule. Ich fragte erst mich,  dann Kuratorin Stefanie Hessler, was diese und Weihnachten gemein haben, reduzierte dabei beide auf ihren größten gemeinsamen Teiler. Und Steffi antwortete mit geistiger Brillanz.

Besitz
Der Besitz materieller Güter und Objekte wird attraktiver während einer finanziellen Krise die durch Abstraktion und den Verlust spekulativer Werte geprägt ist, die nicht an physische Dinge gekoppelt sind. Bei vielen dystopischen Vorhersagen für Europa und den materiellen Reichtum der Europäer lohnt es sich umso mehr, über Besitz nachzudenken.

Geschenk
Da alle Entitäten als Objekte gesehen und genau gleich behandelt werden, ohne Hierarchien oder Kategorien, könnte man darüber nachdenken, ob alle Geschenke materiellen Charakters sein müssen. Das Geben rührt vom verschwenderischen Potlatsch her und der “Beschenkte” ist nie frei sondern immer eingebunden in eine auf das Schenken folgende Verpflichtung und Abhängigkeit.

Gier
Besonders Sanna Maranders Arbeit “Solid Objects” handelt von der Kraft, die Objekte auf- und ausüben und dem Willen zu besitzen. In Virgina Woolfs gleichnamiger Kurzgeschichte beschreibt die Autorin einen erfolgreichen jungen Mann, der beginnt Dinge auf der Straße aufzuheben und zu sammeln. Mit der Zeit gibt er sich ganz seiner Obsession hin und verliert seinen Job und alle sozialen Kontakte. Die Geschichte ist natürlich moralisch gemeint, aber betrachtet auch humorvoll die upper class zu der Zeit und kann auch heute auf Konsum, Besitz und die Konstruktion von Sammlungen übertragen werden.

Fetisch
Der Fetisch von Objekten und deren Anziehungskraft auf uns gewinnt in Sarah Ortmeyers Arbeit “SAD EIS (SAD EIS SERIES)” einen Twist, denn die Eiskugeln sind in industriellen Grautönen bemalt und wirken eher melancholisch als fröhlich. Priscila Fernandes präsentiert ein Objekt das dem platonischen Ideal des goldenen Schnitts entspricht, wendet sich im Video aber immerzu vom Betrachter weg und erlaubt es nicht, die Existenz des Objekts zu überprüfen oder es zu festzuhalten. Und Fredrik Vaerslev kreiert durch Rückzug und Abwesenheit des Pinselstrichs des Künstlers ein fetischistisches Moment und hinterfragt den Wert des (Kunst)Objekts und von Material.

Vergnügen
Objekte, Fetisch und Besitz können sehr vergnügungsvoll sein und ich würde mich freuen, wenn die Ausstellung auch das eine oder andere Schmunzeln hervorruft – Humor ist das größte mir bekannte Vergnügen. Als nächstes plane ich ein Symposium zu dem Thema, durch welches die Fragen um die Rückkehr des Objekts theoretischer diskutiert werden. Gleichzeitig möchte ich die Diskussion aus der Kunstperspektive weiterführen und so kann es gut sein, dass während der Seminare auch Ausstellungen und Arbeiten besprochen werden oder Performances stattfinden.

Stefanie Hessler arbeitet als freie Kuratorin in Schweden und Deutschland, bespielte aber auch schon chilenische Galerien.  Aktuell leitet sie in Stockholm das Studio von Carsten Höller. Einen Einblick in Steffi’s überhaupt nicht kleine Welt gibt euch smallworldsproject.

The Return of the Object bis 19.Januar bei Invaliden1 Galerie
Schönleinstraße 25
Di – Sa, 11 – 18 h

Joel Sternfeld bei c/o Berlin 
“Die Erfahrung hat mich immer wieder von neuem gelehrt, dass man nie wissen kann, was sich unter einer Oberfläche oder hinter einer Fassade verbirgt. Bei der Einschätzung eines Ortes, dem Betrachten von Fotografien einer Landschaft ist unser Verständnis zwangsläufig Fehldeutungen unterworfen”. (Joel Sternfeld)

In On This Site (1992-1996) ist kein Motiv nur das was es ist. Das Holzhaus ist das Relikt einstiger provinzieller Blüte. Das Holzhaus ist aber auch Schauplatz eines brutalen Mordes. Der Balkon ist nicht einfach nur ein Balkon, sondern markiert den Ort, an welchem Martin Luther King einem Anschlag zum Opfer fiel. Sternfeld erschuf auf seinen Reisen durch die Staaten Porträts von Landschaften und Menschen die er über erklärende Texte in ihren sozial-gesellschaftlichen Kontext bettet bis die Banalität der Tragödie weicht. American Beauty als Fotografie, “Tristess in satten Farben” (Spiegel Online).

Farbe war in den 70ern platter Werbe- oder Editorialfotografie vorbehalten. Schwarz-weiß, die Sprache der Kunstfotografie, galt als Qualitätsmerkmal. Und dann kam die New Color Photography Bewegung, der neben Joel Sternfeld auch William Eggleston und Saul Leiter angehörten. Plötzlich durfte auch Kunstfotografie laut sein, bunt, poppig. Mit der Stilistik wandelten sich auch die Motive. Sternfeld machte dabei seine Kritik, die Täuschung durch Fotografie, zum eigenen Werkzeug. Auch wenn die Serie American Prospects (ab 1978) wie alltägliche Momentaufnahmen wirken – penibel gestutzte Vorgärten, ein Tag im Freibad, Vater und Kind ­ wurden diese bis in’s kleinste Detail komponiert. Immer wieder demonstriert Sternfeld dass Fotografie nicht eine objektive Abbildung sondern stets das Werk eines Autors. Seine Bilder sind ein Schnitt durch die amerikanische Gesellschaft. Seine stilistischen Mittel – Komposition, Überbelichtung, Haltung – simplifizieren dabei eine vermutete gesellschaftliche Diversität.

Saskia und ich hätten gerne good cop / bad cop gespielt, aber keine wollte bei dieser fantastischen Retrospektive die Böse sein. 4 erhobene Daumen, 12 Points. Auf gar keinen Fall verpassen!

Joel Sternfeld Retrospektive bis 13. Januar bei c/o Berlin
Oranienburger Straße 35
Mo-So, 11 – 20 h
Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 5 Euro

Nina Pohl bei Sprüth Magers

“What did you learn in photo / art school?”
“Life is like photography we develop from negatives.”

Das Erfolgsrezept von Fotokunst ist sicherlich ihre Streitbarkeit. Die Idee von Fotografie als Vorlage wie bei Gerhard Richter oder Anselm Kiefer ist dabei nicht neu, die Idee von Nina Pohl Gemälde zu fotografieren, Ausschnitte stark zu vergrößern und sie dann wieder zusammenzufügen hingegen schon. Hinzu kommen Körper und Objekte wie fliegende Papageien, die in diesem Kontext zu einer Entgrenzung des Wahrnehmbaren führen, das Objekt so nah, dass man es wieder verliert. Eine beeindruckende Serie in fast noch beeindruckenderen Räumen.

Nina Pohl “New Paintings” bis zum 12. Januar
Sprüth Magers
Oranienburger Straße 18
Di – Sa 11 – 18 h
Eintritt frei


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